Sonntag, 30. November 2014

Sind Veganer gesellschaftsfähig?

Hallo,

Claudi von Claudi goes vegan hat vor kurzem ein Post zum Thema Gesellschaftsfähigkeit von Veganern geschrieben der mich zum Nachdenken angeregt hat. Immerhin hält sich das Vorurteil vom Veganer als Außenseiter hartnäckig.
Ich bin jetzt erst seit knapp über einem Jahr Veganer und dazu noch in einer Zeit wo diese Thema gerade so richtig boomt. Überall wird Veganismus gehypt, das Thema wird populär und ist selbst in die hintersten Ecken Deutschlands gedrungen. Also kann es so richtig schwer doch gar nicht sein?!




1. Essen gehen
Ok, lebt man in einer Großstadt findet man an jeder Ecke ein veganes Restaurant. Aber im tiefsten Bayern bzw Franken, wo selbst die Salate nur mit Speckcroutons auskommen? Ziemlich schwierig oder? Tja, glaubt man. Vor 10 Jahren war es selbst als Vegetarier unmöglich in einem urigen Restaurant etwas ohne Fleisch zu bekommen. Anfang diesen Jahres hatte ich das Vergnügen in so eine typisch fränkische Gaststätte eingeladen zu werden. Ich hatte mich schon damit abgefunden mir meinen Salat selbst würzen zu dürfen aber ich wurde eines besseren belehrt. Es gab mehrere vegetarische Speisen, darunter Grillgemüse, überbackene Kartoffel usw. Auf Nachfrage nach veganen Gerichten wurde super reagiert und sofort bestätigt, dass man die Kartoffeln mit Gemüse einfach ohne Käse überbacken würde. Ich hatte sogar die Auswahl zwischen diesem Gericht und Nudeln mit Tomatensoße oder Kartoffeln mit Grillgemüse. Wow!
Also wenn man selbst in einem bayrischen/fränkischen Restaurant etwas bekommt, steht für alles andere Tür und Tor offen!
Ein weiteres Beispiel ist das vor kurzem genannte Bad Tölz. Da gibt es sogar eine Vegan-Woche!

Weitere Restaurants wären:
  • Grieche
Schwierig bei so einer fleischlastigen Karte? Naja zumindest die vegetarischen Hauptspeisen sind meist mit Sahnesoße & Käse überbacken. Es gibt aber immernoch eine gute Auswahl an Vorspeisen, z.B. Weinblätter mit Reisfüllung, Pitabrot, gegrillte Peperoni/Auberginen/Zucchini, Oliven, Bohnen in Tomatensoße, Knoblauchkartoffeln und Tomatenreis.
Ich bin schon des öfteren mit Familie und Arbeitskollegen in ein griechisches Restaurant. Das war nie ein Grund für mich abzusagen, bisher wurde ich immer satt.
  • Italiener
Naja wohl das beste Restaurant in das man als Veganer gehen kann, ein echter Italiener macht zumindest seinen Pizza- & Nudelteig immer ohne Ei (einfach Nachfragen). Pizza ohne Käse schmeckt kaum anders, vor allem da ich eine richtig vollbeladene Pizza liebe (schön mit Gemüse und am besten Rucola). Ansonsten gibt es immer noch Nudeln all arrabiata oder -aglio e olio.
  • Asiate
Die asiatische Küche ist natürlich eine gaumenfreude für Veganer. Es gibt immer eine große Auswahl an vegetarischen Gerichten, die meistens Vegan sind. Ich liebe Tofugerichte mit Gemüse. Die Erdnusssauce, Chop Suey- oder die Szechuan-Sauce sind meist Vegan. Aufpassen muss man bei Curry-Saucen, diese können neben Kokosmilch auch mit normaler Milch/Sahne gemacht werden.
Weiterhin gibt es noch gebraten Reis/Nudeln mit Gemüse, diese sind jedoch oft mit gebratenen Ei, dies einfach abbestellen.
Und Suhi ist gibt es inzwischen immer auch mit Gemüse (Gurke, Avocado, jap. Rettich usw)

Zusammegefasst: In den meisten Restaurants gibt es für Veganer etwas zu essen. Man muss sich nur trauen nachzufragen (bei Zweifel am besten einfach vorher anrufen und sich erkundigen) und nicht aus Angst von Anfang an ablehnen mitzugehen. Schlimmer als ein Blattsalat mit eigens zusammengestellten Essig-Öl-Dressing kann es nicht werden. Zeigt Präsenz! :)

2. Gesellschaftliche Anlässe
Ach, auch alles kein Problem. Ok 2 Kriterien sollten erfüllt sein.
a. Tolerante Gastgeber --> Es bringt alles nichts hat man einen miesepetrigen Gastgeber der von vorne herein schlecht auf das Thema Veganismus zu sprechen ist. So jemand macht sich keine Mühe auf Sonderwünsche einzugehen und selbst wenn man darauf nicht besteht (Ich bringe etwas mit, es gibt  so viele Salate/Beilagen das langt vollkommen, ...) findet so ein Mensch immer das Haar in der Suppe.

b. Man sollte selbst den Mund aufbekommen --> Sagt das ihr Vegan lebt, die Person sollte auch die Möglichkeit haben sich darauf einzustellen! Bringt Vorschläge was es für euch zu essen geben könnte, gibt es schon eine Speisekarte so schaut einfach wie man die Gerichte einfach Veganisieren könnte. Viele Menschen kennen zwar den Begriff Veganer, können sich darunter jedoch kaum was vorstellen. Bietet evtl. an etwas mitzubringen. Das schlimmste ist nichts zu sagen oder nicht zu helfen, nach dem Motto "Es wird schon passen".

Nun nochmal meine Erfahrungen:
Dieses Jahr war ich auf ganzen 3 Hochzeiten eingeladen, das waren 3 mehr als zu meiner vegetarischen Laufzeit :D Eine Probe gleich zu Anfang und ich wurde 3x nicht enttäuscht. Ich habe immer gesagt, dass ich inzwischen vegan lebe. Zwei mal ging es in eine typisch bayrische Wirtschaft. Davon gab es ein mal ein Buffet mit viel Gemüseauswahl, neben Milcheis noch Sorbet mit Erdbeeren und als Vorspeise eine Avocado-Suppe für mich. Das zweite mal wurden extra Gänge serviert (nachzulesen hier). Auf der 3. Hochzeit wurde von den Familienmitgliedern das Essen mitgebracht, also habe ich eine vegane Donauwelle und vegane Schnitzel für mich mitgenommen.

Auch Geburtstage sind kein Problem, da hier meist auch die Gäste etwas mitbringen. So gibt es von mir zumindest immer einen veganen Kuchen und noch verschiedene Beilagen (z.B. Nudelsalat zur Grillfeier). Hauptgänge werden vom Gastgeber meisten zubereitet, auch die Lieferservices mit dem Buffet bringen auf Nachfrage ein veganes Menü dazu (z.B. Reis, Gemüse, Kokossauce, Antipasti, ..).

Auf der Arbeit und Arbeitsfeiern ist das ganze auch kein Problem, dazu muss ich jedoch sagen dass ich wohl die besten Kollegen/innen auf der Welt habe! Dazu gibt es jedoch so viel zu erzählen, dass ich es in einem extra Post schreibe.

3. Freunde, Verwandte und Kollegen
Es kommen natürlich mal die ein oder anderen Sprüche, vor allem wenn man gerade erst bekannt gibt dass man vegan lebt. Allerdings, sollten es richtige Freunde sein akzeptieren sie diese Einstellung, Verwandte können da doch schon mal gröber sein. Auch bei mir im Kreis werde ich als Sonderling abgestempelt, das wurde ich jedoch schon zuvor als Vegetarier (meine Piercings, Tattoo und sonstigen Einstellungen runden das Bild nur ab *lach* ). Bei den Kollegen habe ich wie gesagt totales Glück.
Jedoch selbst wenn meine Einstellung nicht geteilt wird, so wird sie akzeptiert. Und man hat als Veganer natürlich den Vorteil mit Essen oder Süßem zu punkten und zu zeigen wie Abwechslungsreich vegane Ernährung ist. Das bricht auch bei dem größten Skeptiker das Eis und man kommt zu interessanten Gesprächen.

4. Veganer und Alkohol
Woher kommt eig. das Vorurteil, dass Veganer keinen Alkohol konsumieren? Ok, die vegane perfekte Dinner Runde im September auf Vox hat diese Meinung irgendwie verstärkt, aber sonst?

Nun erstmal mal ein bisschen ausgeholt: Die meisten Spirituosen sind vegan (manche Whiskysorten & Wodkas werden jedoch mit Tierkohle gefiltert), auch kann man hier in Deutschland getrost auf ein kühles Bier zurückgreifen. Bei Wein, Sekt und fertigen Mixgetränken sollte man aufpassen. Hier können sich tierische Produkte verstecken (Farbstoff Cochenille/E120, oder zur Klärung eingesetzte Gelatine/Eiweiße,...).
Nicht alle Veganer achten jedoch darauf und ich habe noch keinen Veganer kennen gelernt der Alkohol kategorisch ablehnt (es gibt jedoch die Straight Edge Szene die keinerlei solcher Drogen -d.h. bewusstseins- und wahrnehmungsverändernde Substanzen- konsumiert).

So, zurück zum Thema: Ich wurde schon des öfteren gefragt ob bzw. eher wieso Veganer Alkohol ebenfalls kategorisch ablehnen. Ich muss aber selbst zugeben, dass ich selten Alkohol trinke. Zum einen schmecken mir härtere Sachen wie Obstbrände ect. nicht, zum Anderen bin ich meist mit dem Auto unterwegs und so fällt es eben flach auf einer Feier zu trinken. Habe ich die Möglichkeit und die Lust trinke ich gerne mal ein Bier, Cocktail oder in der jetzigen Jahreszeit einen schönen warmen Glühwein. Mein Freund ist ebenfalls ein Genussmensch und trinkt wirklich nur wenn er dazu Lust hat. Aber komischerweise bekommt er nicht zu hören "Wieso trinken Fleischesser keinen Alkohol?". Man muss jedoch zugeben, dass diese Thema nicht nur bei Veganern ein Dorn im Auge ist. Leider ist es in der heutigen Gesellschaft normal Alkohol zu konsumieren, ein Dinner-Menü ohne Weinbegleitung ist genauso komisch wie auf eine Feier zu gehen und nur Cola zu trinken.
Also Veganer = unlustige Feiergefährten und Spaßverderber? Absolut Falsch. Punkt.

5. Angst vor Missionierung
Ich glaube jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass Fleischesser sich oft angegriffen fühlen. Die Gründe dafür möchte ich jetzt nicht versuchen zu erklären, jedoch weiß jeder dass Veganer immer den Ruf haben jeden missionieren zu wollen. Da wird schon der Satz "Ich ernähre mich Vegan" auf die Goldwaage gelegt und ist Anstoß zu ewigen Diskussionen über Ernährungsformen, Vitamine-/Proteinquellen und Tierhaltung. Aus meiner Erfahrung raus kann ich sagen, dass viele Veganer schon müde von solchen Diskussionen sind und von selbst nicht damit anfangen da sie einfach einen schönen Abend haben und ihr Essen in Ruhe genießen wollen.
Also: Interessierte Diskussionen JA; Meckern, missionieren und jedem mit anderer Einstellung auf die Finger hauen - NEIN (mir nur bekannt bei Teenie-Pseudo-Veganer die jeden anmeckern und am nächsten Tag wieder zu MC *** gehen)
Das ist also auch kein Grund unbeliebt und somit nicht gesellschaftsfähig zu sein.


Mein Fazit:
Um es nochmals zu Betonen: Eine tolerante vegane Einstellung ist natürlich Voraussetzung, man sollte also kein Problem haben mit Fleischgerichten konfrontiert zu werden o.ä. Dies ist zwar meiner Erfahrung nach normal, möchte ich hier jedoch nochmals erwähnt haben.
Weiterhin darf man sich auf jeden Fall nicht zurückziehen und jeder Konfrontation aus dem Weg gehen (und damit meine ich jetzt keine Diskussionen über Massentierhaltung und Co). Ich treffe mit z.B. fast jede Woche mit meinen Freunden/ehemaligen Kolleginnen zum Essen in der Studentenmensa (dort gibt es 1-2x pro Woche ein veganes Gericht, nun kommen keine Fragen mehr was ich überhaupt Essen kann ;) ), backe/koche für Familienfeiern (eine vegane Donauwelle hat bisher jeden dahinschmelzen lassen) und gehe mit in die unterschiedlichsten Restaurants. Ich bin bisher damit selten schlecht gefahren und dadurch zeigt man dass man auch als Veganer abwechslungsreich/lecker isst und somit auch gesellschaftsfähig ist.

Viele Grüße,
eure Miss Farbenfroh

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